Rainer Rilling

Schon lange nicht mehr war so viel Zukunft wie heute. Mit Bankencrash, Fukushima und Deepwater Horizon sind unversehens die ökonomischen und technischen Großrisiken, die Katastrophen, Gefahren und Unsicherheiten in die Gegenwart einer Weltordnung zurückgekehrt, deren Protagonisten einst das »Ende der Geschichte« versprachen, womit sich kurzweg die Frage der Zukunft und ihrer Alternativen erledigte. Eine ideologische Figur also, mit der der Liberalismus versprach, sich in alle Ewigkeit zu verlängern. Die dramatischen Brüche zu Anfang und Ende der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts haben diese Behauptung falsifi ziert. Die Zukunftsfrage – wie es weitergeht – ist nun neu angestoßen: Wie aus der schwelenden Krise herauskommen? Wer ist Gewinner und wer Verlierer? Wie ändern sich die Kräftekonstellationen und damit auch womöglich die Trends, großen Projekte und Entwicklungspfade? Welche Interessen setzen sich durch? Welche Zukünfte werden geschrieben? Und: Wie steht es um den »Neo«Liberalismus? Das neue Krisenbündel mit der unerwarteten Vielfachkrise hat die politische Fähigkeit neu auf die Tagesordnung gesetzt, Trends und Möglichkeitsmuster realistisch zu identifi zieren und sie zu verbinden mit überzeugenden Zielen, Visionen und strategischen Leitorientierungen. Auf den ersten Blick ist seit den 1960er und 1970er Jahren, als ein Schub der Prognosen, der »Zukunftsforschung« und der Planungsund Steuerungskonzepte den Beginn des langen Endes des Fordismus begleitete, mit der nachfolgenden marktradikalen Zeit auch der Zugriff auf die Zukunft dem Markt und seinem homo oeconomicus übergeben worden. Ein genauerer Blick freilich zeigt, dass das nicht zutrifft. Seit Anfang der 1990er Jahre sind die strategischen Potenziale und Apparate der Zukunftsbearbeitung im Forschungssystem, den Konzernen und Staatsapparaten kontinuierlich und in der Bilanz massiv ausgebaut worden. Manche spezialisierte Think Tanks wie die Prognos AG blicken mittlerweile auf Jahrzehnte der »Zukunftsforschung« zurück. Strategische Forschung und neuerdings gar Transformationsforschung sind selbstverständliche Bestandteile politischer Apparate, wissenschaftlicher Großinstitute und Hochschulen wie auch der Orientierungsund Planungsabteilungen der Unternehmen geworden. Gerade strategisches Wissen, das Trendkenntnisse, Problemkunde und komplexe Methodiken der Pfadidentifi zierung verknüpft, ist politisch gefragt. 221 Das Auto: keine Zukunft, nirgends?